„Vielleicht beginnt Korruption bereits mit einem Restaurantbesuch.“
Interview mit der Bonner Staatsanwältin Angela Wilhelm über die staatsanwaltliche
Praxis zum Thema Korruption und die präventive Verantwortung von Vorgesetzten
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Wo und wann beginnt für eine Staatsanwaltschaft Korruption?
Wilhelm: Das lässt sich so klar gar nicht beantworten, denn es gibt zu viele Fassetten der Korruption. Korruption ist ganz offensichtlich da im Spiel, wo finanzielle oder andere Vorteile für Diensthandlungen gewährt werden. Es muss ein Zusammenhang bestehen zwischen dem Vorteil, den der Amtsträger, eine andere im öffentlichen Dienst tätige Person oder eine ihnen nahe stehende Institution oder ein Familienangehöriger erhält und eben dieser Diensthandlung.
Wie erfahren Sie von Vorfällen, die eine Korruption vermuten lassen? Wann wird die Staatsanwaltschaft tätig?
Wilhelm: In den meisten Fällen erfahren wir von einzelnen Sachverhalten erst einmal gar nichts. Sowohl beim Vorteilsgeber als auch beim Vorteilsnehmer haben wir es mit Beschuldigten zu tun, die natürlich um höchste Geheimhaltung bemüht sind. Wir erhalten recht häufig anonyme Anzeigen, die ganz konkret von der Staatsanwaltschaft überprüft werden müssen. Es kommen auch Behörden auf uns zu, wenn ihnen bestimmte Sachverhalte aufgefallen sind. Dann finden wir in Medienberichten, zum Beispiel über Zivil- oder Arbeitsgerichtsverfahren, Hinweise auf Verdachtsmomente, die wir in den Fällen so genannter Offizialdelikte überprüfen müssen. Doch Letzteres ist eher die Ausnahme.
Wie läuft das Ermittlungsverfahren ab?
Wilhelm: Wir prüfen zunächst einmal sehr konkret die Angaben, um den Kreis der Beschuldigten, der von den einzuleitenden Ermittlungsmaßnahmen Betroffenen – es können unter Umständen auch Zeugen sein – festzustellen. Häufig steht am Anfang der Ermittlungen eine groß angelegte Durchsuchungsaktion bei den Beschuldigten, in den Behörden, aber auch bei den Firmen oder privaten Personen, die als Vorteilsgeber verdächtig sind.
Entscheidend ist, dass am Tag der Durchsuchung alle Beweismittel gesichert werden müssen. Sie können sich vorstellen, dass danach die Drähte glühen und alle nicht gesicherten Beweismittel verschoben und beseitigt werden. Nur im Ausnahmefall stehen bereits am Anfang die Vernehmungen von Informanten und Zeugen, möglicherweise auch der Beschuldigten.
Wer macht sich eigentlich strafbar? Der Vorteilsnehmer oder nur der Vorteilsgeber?
Wilhelm: Beide. Es gibt vier Grundtatbestände im Strafgesetzbuch:
die Vorteilsannahme, die Vorteilsgewährung, dann die Bestechlichkeit und die Bestechung. Sie sehen, die Handlung wird auf beiden Seiten gesondert sanktioniert.
Welche Strafen drohen den Angeklagten?
Wilhelm: Bei der Vorteilsannahme/Vorteilsgewährung ist es eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren. Bei der Bestechung liegt der Strafhöchstrahmen bei fünf Jahren, allerdings gibt es hier Mindeststrafrahmen. Im Falle der Bestechung sind es drei Monate und im Fall der Bestechlichkeit sechs Monate Mindeststrafe. Dann gibt es noch gesonderte Tatbestände. Bei einer Bestechung/Bestechlichkeit in größerem Umfang beginnt die Freiheitsstrafe bei mindestens einem Jahr. Das hat schlimme Folgen, gerade für Beamte, weil dann auch disziplinarrechtlich im Grunde genommen jegliches Ermessen ausgeschlossen ist.
Beim Beschaffungsamt wurden Sie präventiv tätig. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?
Wilhelm: Das Beschaffungsamt kam auf uns mit der Bitte zu, unser Know-how und unsere Erfahrungen in Workshops zur Korruptionsprävention einzubringen. Dieses Anliegen haben wir gerne unterstützt.
Was können Vorgesetzte auf dem Gebiet der Korruptionsvorsorge tun?
Wilhelm: Also, konkrete Kontrollmechanismen, das Vier-Augen-Prinzip, konkrete Anweisungen oder Mitzeichnungsrechte können eine sehr große präventive Wirkung entfalten. Und dann gibt es für einen Vorgesetzten einen klaren strafrechtlichen Grund, sofort auf Verdachtsmomente zu reagieren. Im Gesetz gibt es den Tatbestand § 357 StGB, der eine eigene Strafbarkeit eines Vorgesetzten begründet, der bei Kenntnisnahme solcher Vorgänge nichts unternimmt, sie duldet oder einfach geschehen lässt. Das begründet eine eigene Strafbarkeit, ohne dass er selbst beispielsweise Vorteilsempfänger oder im dienstlichen Sinne Handelnder ist.
Beginnt Korruption denn schon bei einer kleinen Aufmerksamkeit, die ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin von einem Auftragnehmer zum Geburtstag erhält? Gibt es tolerierbare Größenordnungen für Geschenke oder raten Sie prinzipiell zur Nulllösung?
Wilhelm: Genau dazu rate ich. Vielleicht beginnt eine Korruption bereits mit dem ausgiebigen Restaurantbesuch auf Kosten der Firma. Eine Gefälligkeit, bei der sich der Eingeladene
vielleicht bei einer anderen Gelegenheit zur Gegenleistung verpflichtet fühlt. Es ist in Ordnung etwas anzunehmen, wo eine Ablehnung unhöflich wäre – zum Beispiel auch eine Tasse Kaffee. Wir rechnen dies der so genannten Sozialadäquanz zu. Was aber steht der Bezahlung des Essens im Restaurant durch den Mitarbeiter/die Mitarbeiterin einer Behörde entgegen? Richtlinien, die eine Höchstgrenze für die Annahme von Geschenken – und sei sie noch so tief – vorsehen, halte ich für gefährlich, denn meistens ist keine zeitliche Schiene im Sinne einer Häufigkeit eingebaut. Wie oft darf denn der Mitarbeiter Zuwendungen unterhalb der Grenze annehmen? Ich habe übrigens im Rahmen der Workshops beim Beschaffungsamt die Meinungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Interesse zur Kenntnis genommen. Die Mitarbeiter des Beschaffungsamtes sind überwiegend für die Nulllösung. Und zwar zum eigenen Schutz, um auch gegenüber den Firmen persönlich auf der sicheren Seite zu sein. Zudem bestehen Unsicherheiten bei der Bewertung von Geschenken. Ganz klare eindeutige Regelungen halte ich für unverzichtbar – und die sind offensichtlich auch gewollt, jedenfalls im Beschaffungsamt.
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